Wolfgang Denk. Postkoloniale Prähistorie.
Ein Parallelprozess. Malerei und Graphik seit 2000

Brigitte Borchhardt-Birbaumer

 

Eine Vorgeschichte: Prähistorie, „Primitivismus“ und „New Sacred Art“
Nach der Befreiung der modernen Kunst von alten spirituellen Autoritäten ist die Suche nach Inspiration im 20. Jahrhundert weit in archaische Ritualformen zurückgegangen. Nach Paul Gauguin bezogen Künstlerinnen und Künstler ihre Hauptimpulse plötzlich nicht mehr aus der eigenen Kunstgeschichte, sondern die Sicht erweiterte sich nach Afrika, Asien, um die ganze Welt, aber auch weit zurück bis in die Prähistorie; dabei ging es primär darum, Urformen der Menschheit wiederzufinden. Die klassische Antike als vorbildliche Ästhetik des Bildungsbürgertums im 19. Jahrhundert fiel durch ihre Wiederaufnahme in Nationalismus und Diktatur in Ungnade und so war das Interesse auf die archaische Vorzeit gerichtet. Der Begriff „Primitivismus“, obwohl eurozentristisch diffamierend auf Expressionismus und Kubismus übertragen, kehrte sich nach 1945 ins Positive, nachdem die Moderne als „entartete Kunst“ ab 1936 diffamiert worden war. Das „Verlernen“ der eigenen Kunstgeschichte, viele Geschichten von Verlusten und ein Versuch der Rückkehr in verlorene Gefilde prägten die Phase des Existentialismus bis heute.1

Der völlig veränderte postkoloniale, vorsichtig vor Ort forschende und den anthropologischen Aspekt nicht vernachlässigende Prozess in der Akzeptanz fremder Kulturen erweiterte den eurozentristischen Blick auf Außenseiter mit der Art brut Jean Dubuffets.2 Durch Reisen wurden ihre befreiten Techniken in Wolfgang Denks Schaffen entscheidende Faktoren – zuerst führten diese ihn an die bronzezeitlichen Orte mit Menhiren, Dolmen oder Steinkreisen durch ganz Europa, Plätze wie Stonehenge oder Avebury tauchen in Bild- und Zeichenserien bis heute auf. Durch die Bekanntschaft mit Hermann Nitsch und die Förderung von dessen Kunst ist Denks Wissen über antike Dionysos- und Mysterienkulte erweitert worden, wobei im Fall von Nitschs Orgien-Mysterien-Theater die Versöhnung ekstatischer Blutkulte mit christlichen Aspekten wichtig ist. Dazu kam Denks Auseinandersetzung mit keltischen Mythen, die neben dem Tierkönig auch die Vereinigung von Gegensätzen wie Abstraktion und Gegenstand als Grundthema in sein Schaffen einbrachten.3

Die nächste geistige Reise-Erweiterung und Inspiration kam durch einen Freund des Künstlers, der in Nigeria weilte, und vor Ort durch die Bekanntschaft mit Susanne Wenger, österreichische Ausnahmekünstlerin und Mitglied des Art Clubs, die ab den 1960er Jahren im Auftrag eines einflussreichen Priesters alte Kultplätze der Yoruba in Oshogbo künstlerisch rekonstruierte, da sie durch die zerstörerischen Folgen der Kolonialisierung an den Rand gedrängt, fast verloren gegangen waren. Der Platz ist heute Weltkulturerbe der UNESCO, Wenger hat, dank Denk, eine Foundation für ihre Kunst in Krems und ihre „New Sacred Art“ vermischte traditionelle, wieder erweckte Handwerkstraditionen Afrikas und ihre aus der Moderne des Westens geschöpfte Auffassung zu einem völlig neuen Stil. Die von Denk in Oshogbo aufgenommenen Inspirationen betreffen zum einen künstlerische For men, zum anderen sind sie inhaltlich mit den Ritualen der Schamanen – und auch Wenger war eine Schamanin – verbunden.4

Die Hauptgeschichte: Tierkönig, Schamane und Parallelprozesse5
In der Malerei von Wolfgang Denk zeichnet sich in den letzten beiden Jahrzehnten eine Erweiterung durch Gegensätze wie geometrisch-konstruktives Raster und informelles Dripping, aber auch abstrakt/gegenständlich, grafisch/malerisch oder Schwarz/Weiß ab. Er hat in einigen großformatigen Malereien wie „Old Shamans Offering“ und „Rain Dance of the D-King“, „Spiritual Dance of the D-King“ oder auch „Nucleus of the D-King“ den Vorgang durch ein Arbeiten aus schwarzem Untergrund verändert. Eine alte Methode, die vor allem stark die Idee des Chiaroscuro in Renaissance und Manierismus beflügelte; zuvor gibt es bereits eine Bemerkung bei Plinius über einen antiken Maler namens Pausias, der das Bild eines schwarzen Stiers weiß aus dem Dunkel heraus schattierte.6 Dabei ist offenbar die antike Bühnenmalerei (Skiagraphie) anregend, doch in der Spätantike ist der dunkle Untergrund auch für die kretischen Ikonen wichtig. Das Arbeiten aus dem Dunklen faszinierte dann wieder Leonardo, den Manierismus, Tizian und die Maler im Spätbarock. Eine Umdrehung, die von Theoretikern wie Giovanni Paolo Lomazzo als „Kunststück“ gefeiert wurde.7

Jedoch ist das Agieren mit der Dunkelheit auch ein Hinweis auf die Tätigkeiten des schwarzen Schamanen, der in die Unterwelt hinabsteigt zu den Toten. Das Reisen in andere Sphären, das in diesem Fall in kontrollierter Trance passiert, kann übertragen auf die Leinwand jenen Nachtraum der Seelenreise andeuten – egal ob in eine dunkle Höhle, in tiefes Wasser oder die Unendlichkeit des Weltraums oder in jene Unterwelten, aus denen Botschaften durch inneres Sehen über die Kluft zurückgebracht werden. Dabei ist auch das Blindsein als besondere Sehkraft nach innen gemeint, was aber die Realitäten der Bilder nur in Form der unkontrolliert ausgeführten Formbewegungen betrifft.8

Es tauchen in den Werken Denks ab 2000 wieder grafische Netzstrukturen der weiter zurückliegenden Zeichnungen aus der Steinkreis-Serie der 1970er mit Erfahrungen in Nigeria und der von Afrika stark beeinflussten bunten Bildserie der 1990er Jahre auf. Eine Synthese aller wichtigen Eindrücke und auch Techniken bildet sich in mehreren Serien ab. Das betrifft die zahlreichen „Meditations of the D-King“, die „Papercrossings“, die „Horizontal drippings“ wie die bereits erwähnten großformatigen, aus dem Schwarz gemalten Tanz- und Schamanenthemen auf Hartfaserplatten. Wie beim Schamanen ist die künstlerische Sicht eine sensiblere, die Schöpferkraft also vergleichbar (so hat ein Schamane beispielsweise 12.000 Worte zur Verfügung, während sich der allgemeine Wortschatz um 4000 bewegt), da auch der Künstler in anderen Sphären auf seiner Geistesreise unterwegs ist. Auch er bildet Landkarten mentaler Zustände ab, er kann sich wie Daidalos und Ikarus erheben und auf die Landschaften draufsehen, kann scheitern, kann neben der Ordnung der Form, etwa in ein Raster, auch der chaotisch unkontrollierten Bewegung Folge leisten.

In allen Serien Denks seit 2000 ist die in der klassischen Moderne, vor allem zwischen Wassily Kandinsky und Arnold Schönberg diskutierte Synästhesie zwischen Musik und Farbe auf außerhalb Europa, vor allem afrikanische Kunst, somit erwei tert worden. Der Tanz ist ein zentrales Thema, das sich in der Kunst von Anfang an, in Stein- und Bronzezeit, bei den Kelten wie in den Kulturen Afrikas besonders abzeichnet. Im Tanz verbinden sich Religion und Ästhetik in bewegten Formen – als solcher wird er von Denk neben der Meditation von seinen abstrahierten Figuren im Bildfeld mit geschwungenen Linien vollzogen. Tanzen kann auch der Künstler über Grenzen ins Jenseits, wie eben diese Überschreitungen von Schwellen gerade die schamanistischen Prinzipien ausmachen. Das Geistersehen tut sich hinter der Raumkluft auf wie im Traum. Bleistiftstriche, die sich zu Netzen, Nestern, aber auch konstruktiven Rastern verdichten, verbinden sich, in weiße Farbschichten eingekratzt, als Bewegungslinien mit Malerei, umgehen zum Teil auch wild verschüttete
Farbflecken als dargestellte Traumgesänge. Das Tier oder der Seelenführer mit Tiermaske, zuweilen durchsichtig bis auf seine Knochen, was die Nähe zu den schamanistischen Bildern (wie mit dem Titel „Little Shaman Ritual Death“ ausgesprochen) erweitert, ist dabei abstrahiert-mythisches Motiv.

Neben diesen Themen aus anthropologischer Sicht, die bei Denk aus der Erinnerung der Reiseerlebnisse kommen, zeichnet sich in seiner Malerei eine lose Verbindung zur Tradition der „Neuen Geometrie“ ab, die schon um 1960 mit Marc Adrian, Richard Kriesche und Helga Philipp in Österreich wichtig wurde und ab 1980 durch Heimo Zobernig, Esther Stocker oder den Schweizer Max Bühlmann ihre Fortsetzung fand.9 Doch hat Denk selbst in seiner Phase schwarzer, minimalistischer Objekte mit Graphitoberfläche nie die informellen, stark körperbetonten und auf scheinbar intuitive Spontaneität zurückführenden Aspekte ganz außer Acht gelassen. Die geometrischen Grundformen wie Kubus, Quadrat, Dreieck oder Raster verändern sich sehr bald ausgehend von geometrischen Gittern ungeheurer Dichte durch eingebaute Chiffren und Zeichen aus der Art brut. Doch auch bei diesem „Wildwuchs“ bleibt es nicht allein, denn selbst Denks Anfänge im Surrealistischen und der Pop-Art mit realistischen Figuren sind in den ausfransenden Figuren seiner wild tanzenden Gestalten, den (keltischen) „D-Kings“, weiter spürbar.

Im Gegensatz zur Wiederholung alter Bildserien wie etwa bei Georg Baselitz’ „Helden-Serie“ ist Denk bestrebt, die Polaritäten seines Schaffens in einer neuen Synthese zu verspannen. Kunst muss sich für ihn nicht als logischer Sinnzusammenhang erklären, schon eher als ein Ankämpfen gegen die Vergänglichkeit und Nichtakzeptanz von Endlichkeit des Lebens, auch als ein Versuch, mit sterblichen Materialien tiefer liegende geistige Inhalte der Schöpferkraft zum Vorschein zu bringen. Prinzipiell sind daher viele Kompositionen auf Widerspruch angelegt. Der Geist aus der Flasche lässt die künstlerische Betätigung, wie Joseph Beuys es immer betonte, als würdigste Tätigkeit des Menschen empfinden. In den Aktionen traten für den Fluxuskünstler Tiere und Schamanismusthemen aus den alten prähistorischen Zusammenhängen wieder auf, wobei der Dialog Mensch-Tier neu und intensiv mit Anspielungen an archaische Traditionen wiedereröffnet wird.10 Das Tier als Initiationsmeister, Ahne, Seelengeleiter und Schutzgeist zeigt sich in Denks Dear-King, dem keltischen Tierkönig, Vermittler zwischen dem Dies- und dem Jenseits. Als solcher tauchte das Mischwesen bereits in den frühen Höhenmalereien auf. Mit Tiermaskierung wird er, auch wenn die wissenschaftlichen Sicherheiten für diese frühe Zeit fehlen, mit dem obersten Schamanen seiner Gruppe in Zusammenhang gebracht.

Denk lässt die poetische Metapher von Beuys, Tiere als Seelenbegleiter zu sehen, verbunden als transzendente Wesen mit himmlischen Sphären, die durch die Vermittler wieder ungezähmt in unser Leben einkehren, anders anklingen als unser alltäglicher pervertierter Umgang mit dem Haustier, der zur Verniedlichung führt. Dabei sollen, wie in der Kunst sichtbar, Kräfte reanimiert werden, deren Zusammenhänge dem modernen Menschen verloren gegangen sind, da er jegliche Intuition durch den Überhang der Logik verlernt hat. Das „D“ steht also für „Deer“, aber auch den Nachnamen „Denk“, denn von den vier Seelen, die ein Schamane in seiner Brust vereint, kann eine mit dem Namen ident sein. Die Signatur des Künstlers ist daher auch in diesem übergeordneten Wissenszusammenhang zu sehen. Der Handabdruck der frühen Höhlenmalerei wird durch den Namenszug ersetzt. Zudem ist „Denk!“ die Aufforderungsform unserer Sprache, das Hirn zu nützen. „Wer nicht denkt, fliegt (sich selbst) raus“ war einer der Slogans von Beuys in den Gesprächen während der documenta 5. In der Kunst kann das Tier wie auch der Name als Alter Ego auftreten.11 Beides gilt nach den Aktionen von Beuys mit Hase, Pferd und Kojote auch für Denks Werke, die Tanz und Meditation des D-Kings im Titel führen.

Die abstrakte Form, in die solche Ideen von Denk eingebaut werden, ist ein Liniennetz, das oft eine realistischere Arbeitsschicht darunter überlagert – wie die Steinkreise oder Dolmen. Zuweilen wird es vom Künstler auch als geometrisches Raster angelegt, in Streifen verflochten, den „Papercrossings“, doch sind dabei die zwei Seiten einer „Ars combinatoria“12 , die die Abstraktion ausmacht, das Konstruktive der Streifen und die disparaten Graphitliniennetze, die teils durch Frottage erzeugt wurden, vereint. Beide Erscheinungsformen der Abstraktion gibt es als Grundformen bereits in der Höhlenmalerei und auch in der keltischen Kunst, da vor allem in der Numismatik; die völlig gegenstandslose Abstraktion ist also keine Erfindung der Moderne.13 Das Gekritzel oder die wilde Mischung aus perspektivlos übereinandergelegten Tierformen und reinem Liniengewirr wird von Spezialisten der Steinzeitkunst als „Makkaroni“14 bezeichnet – zu finden sind aber auch die ersten Raster mit schwarzen und roten quadratischen Feldern in der zentralfranzösischen Höhle von Lascaux. 1940 wurde sie nach ihrer Entdeckung als „Sixtinische Kapelle der Urzeit“ gefeiert, die Diffamierung der Steinzeitmalerei als „Gekritzel von Hirten“ war aufgehoben, wie auch die postkoloniale Ära in Sachen Kunst parallel ihre Anfänge hat. Wie Denk hat auch Beuys Chiffren oder Piktogrammen ähnliche Motive in seinen frühen Zeichnungen, so für sein Schamanenblatt, von frankokantabrischer Höhlenmalerei entlehnt und paraphrasiert; dabei geht es wie in Denks tanzenden D-King- Meditationen um den neuen Parallelprozess, der in die Vergangenheit wie in die Zukunft gerichtet ist. Das Abenteuer mit dem Bleistift ist eine Reise auf den Weltkarten der globalen Kunstgeschichte, ein „im Bild sein“, nicht mehr vor dem Bild an der Staffelei.

Neben den „Papercrossings“ hat Denk auch Collagen aus Faltungen von Papieren vorgenommen, eine Technik, die auch Robert Smithson nach den Surrealisten verwendete. Der Blick von oben, im Flug, als Draufsicht auf die Welt, „Vogelperspektive“, alludiert die Idee einer Kartographie, eines „Mappings“, einer Vermessung. Während die Vögel dabei die Luftwelt der Schamanen kennzeichnen, ist der Flug mit dem selbst gebauten Flugdrachen, den Denk in der frühen zeichnerischen Schichtenphase über die Steinkreise platziert, eine vielseitige Anspielung auf männliche Eroberung der Lüfte und des Weltraums genauso wie auf die mystische Flugreise des Schamanen. Seine „Dreams of flying“ könnten aber auch eine Anspielung auf die alte Sage vom ersten ohne Auftrag entstandenen technischen Kunstwerkder minoischen Zeit sein: den Flügeln, die der Erbauer des Labyrinths von Kreta, Daidalos für sich und seinen Sohn Ikarus anfertigte, um der Diktatur seines Auftraggebers zu entfliehen. Leonardo da Vinci und Arnold Böcklin waren vor Alfons Schilling und Hermann Härtel in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Erfinder solcher Fluggeräte, wobei es bei Schilling aber um die Erfahrung durch tragbare Sehmaschinen ging.

Die Nachgeschichte: Nächte und Weingärten
Landschaften und Gesichter sowie die spirituellen Tänzer können in den Werken Wolfgang Denks eine Einheit bilden. So sind „D-Face & Landscape 1“ und auch die Nummer 2 dieses Titels über einem Horizont schwebende Kopfformen, die eigentlich wie schwarze Löcher vor einem hellen Hintergrund schweben. Statt dem üblichen Gesicht zeigen sie ein Drippingsraster bis auf einen schmalen Rand in Weiß außen und Schwarz innen. Diese ausgesparten Übergänge in Schwarzweißkontrast lassen die Köpfe schweben, aber auch aufglühen. Ihre Befindlichkeit ist somit die einer geistigen Reise auf einer „Rite de passage“.15

Einmal mit Blaugelbakzenten und dann in erdigen Rotockertönen könnten diese Flächenmuster auch als Landschaften im Jahreszeiten- oder Tagnachtwechsel innerhalb der Kopfformen gesehen werden. Dass die horizontalen Drippings vielleicht als Anspielungen auf die Weingartenreihen aus der Wohnumgebung der Denks in Zöbing zu verstehen sind, verrät der Titel von „Horizontal Drippings Wineyards“. Ein anderes Drippingsraster spielt aber auf eine Erinnerung an einen kalten Morgen in Chicago an und mit schwarzem Untergrund ist buntes Dripping verstärkter Hinweis auf Lichter in heißen Dschungelnächten. Annäherung von Tier-Mensch-Pflanze spricht auch aus dem „Spiritual Dance of the D-King N° 3“, wie die Urpflanze von Beuys und Goethe eine umfassendere Form und damit auch eine nahezu heilende Versöhnung zerstörerischer Umwelt-Gegensätze. Die südamerikanischen „Vegatalistas“, Schamanen im Amazonasgebiet, glauben, dass die Pflanzen Maler und Musiker unterrichten. Zurückübersetzt lässt sich also die göttliche Inspiration auf einen Unterricht durch die Natur zurückdenken. Der Geistesblitz und jene Mythen, dass Götter als Blitze in sterbliche Frauen eindringen, um sie zu befruchten – allerdings damit auch zu töten –, bringt die Nähe der Schöpferkraft zu einer erotischen, die dem rituellen Tanz des Schamanen innewohnt, wieder in Parallele. Nur spielt hier die Gefahr der Zerstörung mit. Man muss nicht an jene archaischen Ekstasen glauben, um ihre Verwandtschaft zum künstlerischen Prozess zu analysieren. Was bleibt, ist das Kunstwerk, das eine spezielle Aufzeichnung der inneren Dinge über einen Jahrtausendbogen spannt.

Brigitte Borchardt-Birbaumer, Photo: Lisa Rastl

Stonehenge, Photo: H. Zens

1 Werner Hofmann: Die Moderne im Rückspiegel. Hauptwege der Kunstgeschichte, München 1998, insb. S. 194.

2 Hans-Jürgen Heinrichs: Wilde Künstler. Über Primitivismus, art brut und die Trugbilder der Identität, Hamburg 1995.

3 Brigitte Borchhardt-Birbaumer: Tiefenschürfen und Seelenaufschlitzen. Die „wilde“ Antike und ihre Reflexion in der ersten und zweiten Wiener Moderne, in: Ausst.-Kat. Körper-Psyche & Tabu. Wiener Aktionismus und die frühe Wiener Moderne (Mumok Wien 4.3.2016 – 16.5.2016), Köln 2016, S. 88 – 115.

Höhlenzeichnung, sogenannte „Makkaroni“ (Umzeichnung und Ritzungen auf Stein), Photo: H. Zens

Höhle von Lascaux, Steinzeitmalerei mit sogenanntem „Jagdunfall“, heute: Nashorn, Schamane und Wisent, Photo: H. Zens

4 Wolfgang Denk (Hg.): Susanne Wenger. Künstlerin. Priesterin. Abenteurerin, Salzburg und Krems 2015.

5 Joseph Beuys verwendete den Begriff „Parallelprozess“ häufig; zuletzt haben die Kunstsammlungen Nordrhein-Westfalen einen Ausst.Kat. zu Joseph Beuys „Parallelprozesse“ betitelt (Düsseldorf 11.9.2010 – 16.1.2011), München 2010.

6 Caius Plinius Secundus d. Ä.: Naturkunde Buch XXXV, 39, 127 (Ausgabe Heimeran Verlag, Hg. Roderich König, München 1978, S. 93).

7 Brigitte Borchhardt-Birbaumer: Imago Noctis. Die Nacht in der Kunst des Abendlandes, Wien, Köln und Weimar 2003.

8 Mircea Eliade: Schamanismus und archaische Ekstasetechnik, Frankfurt am Main 1974.

Helga Philipp, aus: Untitled, 1970, Photo: Privat

Max Bühlmann, O.T., 1986, Photo: M. Bühlmann

9 Joachim Rössl u.a.: Wolfgang Denk Malerei 1982 – 1986, Ausst.-Kat. NÖ Landesmuseum Herrengasse Wien und Schloss Ottenstein 1986. Manfred Lang und Gabriele Kala: Wolfgang Denk, Ausst.-Kat. NÖ Art Galerie im Künstlerhaus Wien 1981. Karel Srp über Objekte Wolfgang Denks, in: Ausst. Kat. Wolfgang Denk, Prag 1992.

10 Brigitte Borchhardt-Birbaumer: Nomen est omen. Anacharsis-Cloots-Beuys, in: Ausst.-Kat. Joseph Beuys. Schamane (Kunsthalle Krems 28.9.2008 – 1.3.2009), Nürnberg 2008, S. 9 – 12.

Hermann Nitsch, Kreuzweg, 1995, Öl, Acryl auf Nessel, 100 x 80 cm, Photo: Denk

Joseph Beuys, Der Schamane, 1974, Photo: H. Zens

11 Borchhardt-Birbaumer: Nomen est omen, siehe Anm. 10.

12 Werner Hofmann: Ars combinatoria, in: Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen Bd. 21, Hamburg 1976, S. 7 – 30.

13 Lancelot Lengyel: Das geheime Wissen der Kelten, Freiburg im Brelsgau 1969, S. 180 – 184 (Die Geburt der Abstraktion).

14 Der Begriff stammt von Michel Lorblanchet. Michel Lorblanchet und Gerhard Bosinski: Höhlenmalerei (übers. von Peter Nittmann), Ostfildern 1997.

15 Arnold von Gennep: Rites de Passage, 1909 (Ausgabe Campus Verlag, Frankfurt am Main und New York 2005).

Joseph Beuys, Titus Andronicus / Iphigenie, Aktion im Theater am Turm zur experimenta 3, Frankfurt 1969, Photo: H. Zens

Jackson Pollock, There Were Seven in Eight, 1945